- Reykjavik Open, 2016 -
Bobby Fischer Spezial
08.03. - 16.03.

 
Auf den Spuren des amerikanischen Weltmeisters
 
Auf Besuch an historischen Plötzen

Wie im Bericht über das Turnier in Reykjavik angekündigt gibt es hier ein paar Bilder zum Thema Bobby Fischer. Island war der Austragungsort des bis heute wohl berühmtesten Schachereignisses - der Weltmeisterschaft 1972. Bobby Fischer wurde damals Weltmeister. Über 30 Jahre später halfen ihm seine alten Beziehungen, um die isländische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im März 2005 erreichte Fischer Island, welches er danach nicht mehr verlassen konnte, da er sonst Gefahr lief, an seine einstige Heimat, die Vereinigten Staaten, ausgeliefert zu werden und dort eine lange Haftstrafe antreten zu müssen. Fischer lebte in Islands Hauptstadt Reykjavik bis zu seinem Tode im Januar 2008, wonach er im 60 km entfernten Selfoss begraben wurde.

Auf die Hintergründe all dessen einzugehen, ist müßig. Es wurde an anderen Stellen zur Genüge ausgeführt. Jedenfalls existieren zahlreiche historische bwz. interessante Orte, die an die Weltmeisterschaft und Bobby Fischers spätere Zeit in Island erinnern. Einige dieser Plätze konnte ich aufsuchen, häufig in Begleitung von Sebastian, der sich nicht dagegen wehren konnte, sich ein wenig den Wind der (Schach-)Geschichte um die Nase wehen zu lassen. Hier in loser Reihenfolge ein paar dieser Orte.

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Buchladen Bokin
Klapparstigur, Reykjavik

Bokin ist ein Buchgeschäft in der Klapparstigur, einer Querstraße zur Laugavegur. Die Laugavegur ist die Haupteinkaufsstraße und Restaurantmeile in Downtown Reykjavik, dem angesagtesten Viertel der Hauptstadt, wir hatten dort auch unser Appartement. In der Downtown findet das "berüchtigte Nachtleben" (div. Reiseführer) Reykjaviks statt, angeblich mittlerweile in ganz Europa eines der angesagtesten. Nun ja, es hat eine eigene Atmosphäre, aber für mich ist ein Pub immer irgendwie ein Pub...

Zu Bokin: Bokin, was übersetzt einfach nur Buch bedeutet, liegt ein paar Gehminuten von unserer Unterkunft entfernt in einer Querstraße zur Laugavegur und war ein Rückzugsort für Fischer, der sich dort regelmäßig mit diverser Literatur beschäftigte. Ein unübersichtliches Sammelsurium aller möglicher Bücher und ein älterer, eigentümlicher Besitzer, der so ziemlich alles ankauft, was er kriegen kann. Nachdem Fischer dort aber vermehrt von Leuten gestört wurde, unter anderem von einem russischen Kamerateam, zog er sich von Bokin zurück und las nur noch in der Öffentlichen Bibliothek.
 

 
Die Bilder sprechen vermutlich für sich. Den Laden habe ich betreten, allerdings innen keine Fotos gemacht. Zum Bild rechts unten: Der Besitzer hatte in einer Ecke des Ladens einen Stuhl für Fischer aufgestellt, ein Foto davon hängt im Fischer Museum, siehe unten. Im Laden selber ist dies mittlerweile nicht mehr so angeordnet. Der Besitzer ist auch nicht mehr der Jüngste, der Laden wird also wohl eher kurz- als mittelfristig die Pforten schliessen.

Hotel Loftleidir
Nautholsvegur, Reykjavik

Im Loftleidir (heute heisst es „Icelandair Hotel Reykjavik Natura“) wohnte Fischer während der WM 1972. Nach seiner Rückkehr im Jahre 2005 war er ebenfalls die ersten Monate dort untergebracht, und zwar in derselben Suite wie 1972. Diese kann heute für Aufenthalte gebucht werden („Gimli Suite“). Das Hotel liegt am Tower des Stadt-Flughafens von Reykjavik, knapp 3 km von unserer Unterkunft entfernt. Im Foyer befindet sich eine kleine Ausstellung. Das Highlight ist der Schachtisch von 1972. Dieser soll in naher Zukunft in das Fischer Museum in Selfoss überführt werden, zumindest ist dies die Hoffnung der Museumsbetreiber.
 

 
Auf den Bildern blickt man auf den Haupteingang des Hotels. Im linken Flügel befindet sich ein Nebeneingang, nach ein paar Schritten findet man dort bereits den Tisch, "abgetrennt" durch eine Kordel. Links und rechts an den Wänden hängen ein paar Bilder betreffend des Kampfes. Der Tisch ist durch eine Glasplatte geschützt, aber warum man dort ein ordinäres Schachbrett drauf placiert hat, bleibt ein Rätsel. Wir liessen es uns nicht nehmen, ein wenig "die Figuren zu bewegen"...

Hotel Saga
Hagator, Reykjavik
Im Saga Hotel, welches ebenfalls mittlerweile umbenannt wurde in „Radisson Blu Saga“, residierte 1972 Boris Spassky.
 

 
Erneut in einer Abendatmosphäre aufgenommen. Im Hotel selber waren wir nicht mehr, aber ich bezweifle, dass dort eine Ausstellung über Spassky vorhanden ist. Man müsste schon eher die russische Literatur wälzen, um mehr über Spasskys Aufenthalt auf Island zu erfahren.

Fischers erste Unterkunft
Klapparstigur, Reykjavik

Nach mehreren Monaten Aufenthalt im Hotel Loftleidir , wo er in derselben Suite wie 1972 wohnte, zog Fischer in der zweiten Jahreshälfte 2005 in diese Appartements ein, seine Wohnung befand sich im 4. Stockwerk. Diese recht exklusive Wohnlage musste Fischer allerdings nach mehr als sechs Monaten räumen, da der Vermieter diese selbst benötigte.
 

 
Auf dem linken Bild oben befindet sich Fischers Wohnung. Rechts sieht man das Gegenüber. Sollte Fischer aber seine Fensterfront zur anderen Seite hin gehabt haben, konnte er auf's Wasser schauen. Keine schlechte Lage, Fischer konnte von hier aus schnell alle Läden in der Hauptgeschäftsstraße erreichen, und er aß ja generell nur auswärts. Die Straße ist wie oben genannt die Klapparstigur, dort liegt auch der Buchladen Bokin. Allerdings in der Gegenrichtung. Man läuft also zunächst zurück zur Laugavegur und dann geradeaus weiter zu Bokin, in ein paar Gehminuten war das für Fischer zu erreichen.

Grab von Fischer
Selfoss

Rund 60 km entfernt von Reykjavik liegt die Stadt Selfoss. Hier gibt es eine kleine Kirche, vor derer das Grab von Fischer liegt. Fischer gefiel dieser kleine, ruhige Ort sehr gut und er wünschte sich, dort beerdigt zu werden. Diesen Ort besuchte ich zweimal. Der erste Besuch war im Rahmen einer Rundtour, welche einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Südwestens Islands abdeckte und extra für die Schachspieler angeboten wurde mit einer Erweiterung um den Ort Selfoss mit dem Grab von Fischer und dem Fischer Museum. Wegen Krankheit konnte Sebastian nicht mitfahren. Aber wir machten diese Tour dann ein weiteres Mal mit unserem Mietwagen, am Ende landeten wir dann auch wieder in Selfoss.
 

 
In der kleinen Kirche fand seinerzeit ein Gedenkgottesdienst statt, nachdem Fischer bereits zuvor in kleinem Kreise vor der Kirche bestattet worden war. Das Bild unten links zeigt den Eingang zur Kirche vor dem Reisebus mit der Lage des Grabes. Rechts mittig wird einem auffallen, dass dort kein Schnee zu sehen ist. Dieses Bild machte ich beim zweiten Besucht mit Sebastian alleine ein paar Tage später. Es war schon halbdunkel, eine recht unwirkliche Atmosphäre, eine einsamere Gegend kann man sich auch nicht vorstellen, die Bilder zeigen dies leider nicht.

Von der Hauptstraße biegt man, schon etwas ortsauswärts, nach links ab und fährt über eine schmale Straße, fast schon wie ein Feldweg, bis ein paar hingeworfene alte Häuser und die kleine Kirche auftauchen. Warum auf dem Grab ein schwarzer König steht, erschließt sich mir nicht. Es gab eine dumme Bemerkung eines Mitreisenden der ersten Rundtour, ob Fischer nicht der schwarze König des Schach gewesen sei. Tatsächlich aber existieren etwas ältere Fotos vom Grab, auf denen auch zusätzlich ein weißer König zu sehen ist. Es war also nur eine schachliche Hommage, die entweder von der Natur oder einem Souvenirjäger "verändert" wurde.

Fischer Museum
Austurvegur, Selfoss

Ein paar Minuten entfernt vom Grab liegt, etwas versteckt, das Fischer Museum. Ich fand dies eher etwas, naja, sagen wir, ausbaufähig. Ein paar Memorabilia waren dort zu sehen vom 72er Match, wie Spielfiguren, Plakate und Partieformulare, aber insgesamt nichts Weltbewegendes. Man hat dort auch den Tisch, an dem 1972 gespielt wurde, allerdings nur einen Nachbau, und diesen darf man auch eigentlich nicht zeigen. Das Original steht im Hotel Loftleidir, siehe oben, und soll in baldiger Zukunft ins Museum überführt werden.
 

 
Man sieht oben ein Bild aus dem Museum heraus aufgenommen, um einen Eindruck von der Gegend zu bekommen. Der Tisch ist nur ein Nachbau, die Stühle scheinen auch aus irgend einer Gartenbauabteilung zu stammen. Die Partieformulare sind von der vierten Partie, die Fischer mit Weiß mühsam Remis halten konnte. Auf den beiden Schwarz-Weiß-Fotographien sieht man einmal Spassky mit seiner Entourage (links auf dem Bild Geller) und Fischer, der nach einer Partie zu seinem Wagen geleitet wird.

Laugardarshöllin
Engjavegur, Reykjavik

In dieser Halle wurde 1972 gespielt. Sie liegt knapp 5 km von unserer Unterkunft entfernt. Auf den Bildern sieht man die alte Halle und den neuen Anbau. Man sieht hier ein paar Aussenaufnahmen, in der Halle selber waren wir nicht. Also auch nicht im berühmten Hinterzimmer, in welchem die dritte Partie gespielt wurde. Dazu hätte es allerdings auch eines Hausmeisters bedurft.
 

 
Restaurant 3 Frakkar
Baldursgata, Reykjavik

Fischers Lieblingsrestaurant, wenige Autominuten von unserem Appartement entfernt. Spezialisiert hat man sich dort auf Fischgerichte. Eines der wenigen Dinge, die man in Island relativ günstig bekommen kann. Da es sich hier allerdings um eine „gehobene“ Küche handelt, kamen wir für ein Fischgericht nebst einem Glas Wein nicht unter 60 EUR heraus - pro Person, versteht sich. Wir sind ja in Island! Es hängt dort ein Bild von Fischer an der Wand über dem Tisch, an welchem er immer saß. Dieses konnten wir fotographieren, da zu dem Zeitpunkt das Restaurant kurz vor Ladenschluss fast leer war. Trotz des Preises ein gutes Essen und ein schöner Abend.
 

 
Das Foto von Fischer, welches in diesem Restaurant hängt, ist die letzte bekannte Aufnahme des Amerikaners (oder sollte man sagen Isländers?). Es wurde auch im 3 Frakkar selbst fotographiert.

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Quellen:
Für eine völlige Korrektheit aller Informationen kann ich keine Garantie übernehmen. Manches hat man mal irgendwo gelesen. Dennoch dürfte so ziemlich alles einer strengen Prüfung standhalten. Bis auf das, was wir in Reykjavik selber sahen, möchte ich aber zwei Quellen nennen: Die Fischer-Biographie "Endgame" von Frank Brady und das Buch über seine Jahre in Island, "Bobby Fischer comes home", von GM Helgi Olafsson.

- frank modder, 21.06.2016

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Fischer in Thingvellir

Das Bild links zeigt Fischer an einem der historischsten Orte Islands, dem Thingvellir Nationalpark. Hier fanden einige der wichtigsten Ereignisse der isländischen Geschichte statt wie die Grüdung eines der ältesten Parlamente der Welt, des Althing, oder im Jahre 1944 die Ausrufung der Republik. An diesem Ort driften auch die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte auseinander und sorgen für eine interessante Geologie. Rechts ist unser Besuch in Thingvellir. Ich erinnere mich, ein Foto mit Sebastian ähnlich dem von Fischer gemacht zu haben, aber kann dieses nicht mehr auffinden.

Mehr zu Thingvellir später in einem weiteren Special über Land und Leute.